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Orlando di Lasso-Gesamtausgabe

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Richtlinien für die Zweite, nach den Quellen revidierte Auflage der Alten Gesamtausgabe

(nach Band XVII, Motetten IX; zum PDF)

Die Editionsgrundsätze der ersten Auflage werden für die Neuauflage in einigen Punkten geändert bzw. ergänzt, um heutigen Anforderungen an eine kritische Ausgabe Rechnung zu tragen. Die Anordnung der Motetten in der vorliegenden Neuausgabe entspricht derjenigen von Franz Xaver Haberls Ausgabe und damit derjenigen des Magnum opus musicum von 1604; Grundlage der Edition ist jedoch nicht (wie bei Haberl) das Magnum opus musicum. Stattdessen folgen Noten- und Worttext meist, aber nicht unbedingt, der frühesten Quelle. Mitunter wird auf spätere, als besser erkannte Ausgaben als Leitquelle zurückgegriffen. Das bedeutet auch, dass in Zweifelsfällen unter Varianten eine Wahl zu treffen ist, die im kritischen Bericht begründet wird. (Die Jahreszahl über dem Beginn eines jeden Satzes verweist auf die älteste Quelle, die nicht unbedingt mit der Leitquelle übereinstimmen muß.)

Berücksichtigt sind sämtliche gedruckten Quellen. Zusätzlich werden Handschriften herangezogen:

  • die heute in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrten Chorbücher aus der Münchner Hofkapelle,
  • etwa zeitgleich mit bzw. vor den ältesten Drucken entstandene Manuskripte anderer Herkunft,
  • schließlich auch Kontrafakta oder Bearbeitungen enthaltende Handschriften aus späterer Zeit.

Daraus ergeben sich im Einzelnen folgende Richtlinien:

  • Schlüssel und Notenwerte entsprechen der Leitquelle.
  • Die Vorzeichensetzung folgt der Leitquelle, wird jedoch zum Teil modernen Notationsgepflogenheiten angepasst:

Zur Auflösung der Erniedrigung und Erhöhung steht anstelle des alten Erhöhungszeichens XX    bzw. des ♭ das moderne Auflösungszeichen ♮. Tonartvorzeichnungen gelten für das ganze Stück.

Vorzeichen innerhalb eines Taktes gelten bis zum nächsten Taktstrich, sofern sie nicht aufgelöst werden.

Wiederholte Vorzeichen innerhalb eines Taktes entsprechen originalen Warnungsakzidentien der Leitquelle und zeigen so die alte Schreibweise an, ohne die übliche Geltungsdauer akzidentieller Vorzeichen für einen Takt zu berühren. Treten derart wiederholte Vorzeichen in anderen Quellen als der Leitquelle auf, dann werden sie im kritischen Bericht angezeigt.

In Stücken ohne Generalvorzeichnung steht in den Quellen mitunter ein XX   als Warnungsakzidens vor h oder e (bzw. nur vor e, wenn ein ♭ als Generalvorzeichen steht); damit wird angezeigt, dass ein aus dem Kontext der entsprechenden Stelle heraus den Konventionen der Zeit entsprechend evtl. zu vermutendes b oder es nicht zu singen ist, sondern das h bzw. e erhalten bleibt. Tritt das XX   in der Leitquelle auf, dann wird es in der Edition als ♮ wiedergegeben und – wie auch Warnungsakzidentien dieser Art in anderen Quellen – im kritischen Bericht angezeigt.

In den Drucken der Zeit gelten Vorzeichen gewöhnlich für alle unmittelbar folgenden Töne gleicher Tonhöhe, innerhalb eines Wortes oder einer Silbe auch für die durch Zwischentöne unterbrochene Tonwiederholung. Die heutige Gliederung durch Taktstriche macht in vielen solchen Fälle n eine Wiederholung von Vorzeichen notwendig, die in eckigen Klammern in den Notentext eingefügt werden. Wenn hingegen innerhalb eines Takts eine Vorzeichnung aufgehoben werden muß, ohne dass dies in der Quelle angegeben ist, wird in den Notentext in eckigen Klammern ein Auflösungszeichen eingefügt. Auf eine Angabe im kritischen Bericht kann in diesen Fällen verzichtet werden.

Über den Noten in Kleindruck stehende Vorzeichen finden sich nicht in der Leitquelle, sondern sind vom Herausgeber gesetzt und gelten bis zum nächsten Taktstrich, wenn sie nicht zuvor durch Vorzeichen unmittelbar im Notentext oder Vorzeichen über einer Note aufgelöst werden. Vorzeichen dieser Art entsprechen Konventionen der Zeit und werden im Wesentlichen in drei Fällen gesetzt: a) zur Erzeugung von Leittönen in Klauseln; b) bei der Stimmführung zur Umgehung von verminderten Quint- bzw. übermäßigen Quartsprüngen; c) zur Vermeidung von Zusammenklängen wie übermäßigen Oktaven (die Fälle b) und c) oft in Analogie zu anderen Stimmen). Häufig sind derartige editorische Zusätze durch Vorzeichensetzung in einer oder mehreren Quellen (anderen als die Leitquelle) gedeckt. Auf solche nicht in der Leitquelle zu findenden Vorzeichen wird im kritischen Bericht hingewiesen. Nicht durch andere Quellen gedeckte darübergesetzte Vorzeichen werden mitunter im kritischen Bericht diskutiert und begründet.

  • Ligaturen der Leitquelle werden mit einer Ligaturenklammer (┌──┐) gekennzeichnet.
  • Mensurzeichen und Proportionsangaben entsprechen der Leitquelle; davon abweichende Bezeichnungen in anderen Quellen werden im kritischen Bericht angezeigt.
  • Schwärzung der Noten (Kolor) wird durch Kolorhaken (┌    ┐) angezeigt; sind die entsprechenden Noten mit einer Proportionsangabe 3 versehen, wird diese mit übernommen (┌ 3  ┐).
Die häufig vorkommenden Ligaturen cum opposita proprietate mit Halbschwärzung und nachfolgender geschwärzter Minima werden stets als Ganze und punktierte Halbe mit nachfolgendem Viertel übertragen ( = ). Analog dazu wird die gelegentlich in Drucken aus Platzgründen und oftmals in Handschriften anzutreffende Gruppierung schwarze Semibrevis mit nachfolgender schwarzer Minima  (gedruckt vgl. Nr.421 des vorliegenden Bandes, Quare tristis es, anima mea, 5av, T.69; handschriftlich mehrmals in Nr.444 des vorliegenden Bandes, Beatus qui intelligit, I. pars: 1A, T.17; II. pars: 2A, T.9-10; 1A, T.36; ebenfalls mehrfach in Nr.456, Deus in adiutorium, C, A und 6av, T.29; 5av, T.40; T, T.40-41) zu   aufgelöst. Bei der Schwärzung handelt es sich lediglich um eine Schreibkonvention, da auch im originalen Quellenmaterial beide Schreibweisen in identischer Bedeutung Verwendung finden. Die Folge von drei geschwärzten Minimen mit Zusatz der Ziffer 3 zur Bezeichnung der triolischen Lesung  (vgl. Nr.440 im vorliegenden Band, In te, Domine, speravi, I. pars: D, T.29) bzw. (häufiger) punktierte schwarze Minima, Fusa, schwarze Minima  (vgl. z.B. Nr.420, Quam magnificata sunt opera tua, I. pars: D, T.6; Nr.437, Lauda Hierusalem dominum, I. pars: 5us, T.44 und IV. pars: T, T.4) wird stets als drei Halbe bzw. punktierte Halbe, Viertel und Halbe  übertragen. (Haberl hatte die Folge zu punktierter Viertel, Achtel und Halbe aufgelöst, was in verschiedenen Fällen für die Aufführung vorzuziehen sein mag.)

Tritt Kolor nur in einer Stimme auf, dann ergibt sich seine metrische bzw. proportionale Auflösung meist problemlos aufgrund des Satzgefüges, in das die kolorierte Passage einzufügen ist. Tritt Kolor hingegen simultan in allen Stimmen auf, dann ist die durch die kolorbedingte Mensuränderung bewirkte Änderung der Temporelation gegenüber der vorhergehenden unkolorierten Passage mitunter nur schwer zu bestimmen, da weder die zeitgenössische Theorie noch die Praxis einheitliche Lösungen kennen. Auf zusätzliche Mensurzeichen, Proportionsziffern oder Angaben von Proportionsverhältnissen durch Notenzeichen als Herausgeberzusatz, um bei Kolorstellen Vorschläge für die Temporelation zu machen, wird deshalb verzichtet.

― Die Stimmbezeichnungen folgen der Leitquelle. Dabei wird, wo möglich, auf die Angabe unmittelbar beim Stück zurückgegriffen; fehlen Stimmbezeichnungen beim Stück, wird die Bezeichnung vom Titelblatt des Stimmbuchs übernommen. Gelegentlich ergeben sich dabei Divergenzen zwischen der Bezeichnung und der realen Stimmlage (z.B. in GA2 V, Nr.177, Adoramus te, Christe, wo fünf Stimmen in Sopranlage als Cantus  –  Altus  –  Tenor  –  Quinta vox  –  Bassus bezeichnet sind). Auch in solchen Fällen werden die originalen Stimmbezeichnungen übernommen, da ihnen aufgrund ihrer Authentizität verglichen mit vom Herausgeber neu gesetzten höhere Autorität zukommt. Wenn ein Chorbuch ohne Stimmbezeichnungen Leitquelle ist, werden die Bezeichnungen aus dem Magnum opus musicum (1604-1) übernommen und in eckige Klammern gesetzt.

Abweichende Bezeichnungen in anderen als der Leitquelle werden im kritischen Bericht angegeben.

― Die Textunterlegung entspricht der Leitquelle. Die Schreibung der Zeit kannte keine festen orthographischen Regeln. Die Orthographie folgt den Stimmen der Leitquelle. Der Herausgeber belässt es bei der Buntheit unterschiedlicher Schreibungen, wie sie gerade der Stimmbuchdruck fördert, weil es ihm für eine wissenschaftliche Ausgabe nicht angemessen erscheint, hier mit späteren Reglementierungen vereinheitlichend einzugreifen. Lediglich U/V bzw. u/v wird standardisiert und heutiger Schreibung angepasst, I/J bzw. i/j sowie c/t hingegen werden original übernommen. Abkürzungen und Ligaturen werden aufgelöst. Über diese Regeln hinaus werden Eingriffe in die originale Orthographie nur zur Vermeidung von Missverständnissen vorgenommen. Änderungen dieser Art sind im kritischen Bericht dann vermerkt, wenn Missverständnisse möglich sind (in der Regel jedoch nicht z.B. bei angehängtem „-quae“ anstatt „-que“ für „und“: dort wird stillschweigend zu „-que“ geändert). Eingriffe bei offenbar fehlerhaftem Text werden im kritischen Bericht angegeben. Die Zeichensetzung orientiert sich am modernen Gebrauch.

Der fortlaufende Abdruck aller Texte muss natürlich einer bestimmten Stimme (Superius oder Tenor) folgen. Hinsichtlich der Orthographie und der Zeichensetzung gilt das oben Gesagte. Eingriffe bei offenbar fehlerhaftem Text werden hier nicht eigens vermerkt, sind aber durch den kritischen Bericht zu eruieren.

Beim Satzanfang wird ein Großbuchstabe zu Wortbeginn gesetzt. Im fortlaufenden Abdruck der Texte (nicht im unterlegten Text) wird bei gebundener Sprache in Versstruktur zu Beginn der Verszeilen ebenfalls ein Großbuchstabe gesetzt.

Die zeitgenössischen Notendrucke setzen anstelle von Textwiederholungen sehr oft das Idemzeichen. Diese vom Herausgeber ausgeschriebenen Textwiederholungen werden durch Kursivdruck kenntlich gemacht.

Ungenauigkeiten (Verschiebungen) bei der Textunterlegung werden im Lesartenverzeichnis nur dann angegeben, wenn eine eindeutige Zuordnung der Silben zu den Noten (z.B. aufgrund syllabischer Textierung) nicht gegeben ist, wenn also die Möglichkeit von Missverständnissen besteht.

Wenn eine Stimme nicht mit dem Textincipit der Motette beginnt, sondern mit einer späteren Textstelle einsetzt, dann wird in den Quellen häufig das Textincipit angegeben. Wenn das in der Leitquelle der Fall ist, wird es in die Ausgabe übernommen und stets kursiv wiedergegeben; vgl. etwa Nr.419, I. pars: Prolongati sunt dies mei.

― Druckfehler oder editorische Eingriffe in der ersten Auflage werden stillschweigend verbessert; vgl. aber GA2 XIII die Anmerkung im kritischen Bericht zu Nr.355, Agimus tibi gratias, A, T.28 und im vorliegenden Band zu Nr.449, Ad te levavi oculos meos, Anmerkung vor den Lesarten etc. zur I. pars.

― Der kritische Bericht ist nach folgendem Schema aufgebaut:

Nr. im Band, Textincipit, LV-Zahl.

Herangezogene Quellen in chronologischer Reihenfolge. Ist eine Handschrift die älteste Quelle, dann wird sie an erster Stelle genannt; ansonsten werden benutzte Handschriften nach den Drucken aufgeführt.

Leitquelle. Diskussion, wo nötig.

Textprovenienz. Gegebenenfalls Diskussion der Herkunft des Texts, evtl. seiner liturgischen Verwendung und, wo nötig, Abweichungen von Lassos Text gegenüber der Vulgata.

Kontrafaktur[en]. Wird nur bei Bedarf eingeführt. Angabe der Quelle[n]; Abdruck des Texts / der Texte oder Verweis auf den Anhang, falls das Kontrafakt / die Kontrafakta dort vollständig mit Noten abgedruckt ist / sind.

Bearbeitung[en]. Ebenfalls nur bei Bedarf. Angabe der Quelle[n] und Verweis auf den Anhang.

Anmerkung. Ebenfalls nur bei Bedarf. Die Rubrik bietet Raum für Angaben, die unter den anderen Rubriken nicht einzuordnen sind.

Lesarten, Druckfehler, Anmerkungen zum Notentext. Im ersten Abschnitt werden Varianten beim Notentext angegeben, im zweiten Abschnitt Abweichungen bei der Textunterlegung (T-U). Wenn in einer Quelle eine Note zu zweien aufgeteilt oder zwei Noten zu einer verbunden sind, dann wird dies auch dann unter den Varianten zum Notentext aufgeführt, wenn die Textunterlegung betroffen ist; Auswirkungen auf die T-U werden aber mit angegeben. Bei komplizierten Fällen wird mit Querverweisen gearbeitet. Notenbeispiele geben die Notenformen der Quelle wieder.

Grundsätzliche Angaben zum Notentext oder zur T-U (jeweils nur bei Bedarf) stehen am Beginn der Abschnitte:

Angaben zur Stimmbezeichnung bzw. Stimmanordnung,

Angaben in den Quellen zur Tonart,

Angaben zu Gepflogenheiten bei der Vorzeichensetzung,

Angaben zu den Notenwerten,

Angaben zur Textunterlegung.

Hat eine Motette mehrere Unterteile, dann stehen Angaben dieser Art jeweils vor der I. pars, wenn sie für alle Unterteile gelten.