Hofkomponist und europaweit bekannter Kapellmeister
Der in München tätige Orlando di Lasso (1530/32–1594) ist der wohl bedeutendste, jedenfalls der erfolgreichste und berühmteste Komponist der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sein rund 1360 Kompositionen umfassendes Werk, das zu Lebzeiten und noch lange danach in Drucken und Handschriften sehr weit verbreitet war, gehört heute zum Repertoire zahlreicher Vokalensembles, die sich mit Musik der Renaissance beschäftigen; auch von Laienchören wird seine Musik aufgeführt. Lasso zählt zu den am meisten aufgenommenen Komponisten der älteren Musikgeschichte, zahlreiche Tonträger zeugen von der Vielgestaltigkeit seines Œuvres.
Lassos Ruhm ist wohlbegründet: Der geniale Musiker bediente alle zeitgenössischen geistlichen wie weltlichen Gattungen. So hat er etwa Motetten, Madrigale, Chansons, deutsche Lieder, Messen, Magnificat oder Hymnen komponiert. Immer wieder überschritt er die satztechnischen Grenzen der Gattungen. Gerade auf diese Weise trieb er die Internationalisierung des Stiles vor 1600 voran. Gerühmt wurde und wird Lasso für seine musikalische Ausdeutung der vertonten Texte. Nicht nur in diesem Zusammenhang wird immer wieder auf die Extravaganz seiner kompositorischen Schreibart verwiesen.
Die Orlando di Lasso-Gesamtausgabe
Die nicht von der Akademie betreute, heute sogenannte Alte Gesamtausgabe mit insgesamt 21 Bänden entstand in den Jahren 1894 bis 1927 und enthält nahezu alle Motetten, Madrigale, Chansons und deutschen Lieder des Komponisten. Damit umfasst sie etwa die Hälfte von Lassos Gesamtwerk. Die Bände erschienen beim Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig. Das Projekt kam allerdings 1927 in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zum Erliegen.
1956 übernahm die Musikhistorische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften das Projekt einer Orlando di Lasso-Gesamtausgabe. Seit 2017 wurde sie vom Projektbeirat und -ausschuss „Orlando di Lasso-Ausgabe” betreut. Die Werkausgabe besteht aus zwei Teilen, der Neuen Reihe sowie der revidierten Alten Gesamtausgabe.
Neue Reihe
Die Neue Reihe ergänzt die 1927 abgebrochene Alte Gesamtausgabe. Die Arbeiten begannen 1956. In den Jahren bis 1995 erschien in 26 Bänden alles, was in der Alten Gesamtausgabe fehlte. Publiziert wurden die Bände der Neuen Reihe beim Bärenreiter-Verlag in Kassel.
Revidierte Alte Gesamtausgabe
Parallel zur Neuen Reihe wurde die Alte Gesamtausgabe in einer zweiten, nach den Quellen revidierten Auflage neu herausgegeben, die den heutigen Ansprüchen an eine kritische Gesamtausgabe entspricht. Die dazu notwendigen Quellenforschungen sind in einer Bibliographie der gedruckten Quellen sowie für die Handschriften in einer Datenbank dokumentiert. Verlegt wurde die Edition (wie die Alte Gesamtausgabe) bei Breitkopf & Härtel.
Die Orlando di Lasso-Gesamtausgabe dient der wissenschaftlichen Sicherung und Dokumentation alten Kulturgutes von herausragender Bedeutung und ist zudem eng mit München und der Geschichte Bayerns verbunden. Das Notenmaterial wurde auf der Basis aller heute bekannten gedruckten sowie wichtiger handschriftlicher Quellen kritisch ediert und unterstützt so die Aufführung von Lassos höchst wertvoller Musik.
Arbeitsmittel
Die Arbeitsstelle verfügte über
- eine umfassende Bibliothek mit einschlägigen Publikationen und Editionen,
- ein Quellenarchiv mit Digitalisaten und Mikrofilmen, das den größten Teil der zeitgenössischen Drucke sowie wichtige Handschriften umfasst,
- eine Literaturdatenbank.
Übergabe der Bibliothek an das Institut für Musikforschung der Universität Würzburg
Mit dem erfolgreichen Abschluss des Projekts gingen Bibliothek und Mikrofilmarchiv an das Institut für Musikforschung der Universität Würzburg (Bruno-Stäblein-Archiv) und können dort eingesehen werden (Ansprechpartner: Dr. Martin Dippon).
Förderung
Das Projekt wurde als Vorhaben der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen des Akademienprogramms von der Bundesrepublik Deutschland und vom Freistaat Bayern gefördert.